Astrologie und Selbsterkenntnis


Recherchiert und kommentiert von Ralf Manthey


Zum Thema Astrologie gibt es heute leider viele oberflächliche und irrtümliche Informationen, Vorstellungen und Meinungen. Daher verwundert es nicht, dass viele Menschen die Astrologie zwar interessant und unterhaltsam finden, indem sie z.B. regelmäßig ihr Horoskop in der Zeitung lesen, sie aber ansonsten nicht für besonders seriös halten. Dabei galt die Astrologie über lange Zeit als seriöse und anerkannte Wissenschaft; es wird sogar behauptet, dass sie die älteste Wissenschaft der Menschheit ist.

Die heutige Astrologie wurde über Jahrtausende entwickelt und verfeinert, und sie ist noch lange nicht in ihrer komplexen Vielschichtigkeit und Tiefe erfasst und angewendet worden.

Die Astrologie ist ein differenziertes und komplexes Werkzeug, und es hängt von der Professionalität, Erfahrung und der geistigen Reife des jeweiligen Astrologen ab, ob es nützlich oder eher schädlich ist. Wenn die Astrologie auf unseriöse, oberflächliche und selbstsüchtige Weise angewendet wird, z.B. durch Vorhersagen von Ereignissen für egoistische Ziele (Wahrsagerei), wird sie eindeutig missbraucht.

Wenn die Astrologie aber auf seriöse, fundierte und ethische Weise angewendet wird, indem sie die Selbsterkenntnis und das geistige Wachstum des Menschen fördert, wird sie positiv angewendet und damit ihren eigentlichem Zweck zugeführt. 


Anwendung der Astrologie
Es gibt zwei wesentliche Themenfelder, mit denen sich die Astrologie befasst hat. Schon früh in der Geschichte der Astrologie spielten die Vorhersagen (Prognosen, Prophezeiungen) zukünftiger Ereignisse anhand der Deutung bestimmter Planetenkonstellationen eine wichtige Rolle. Dabei ging es zunächst aber nicht um die Vorhersage des Schicksals einzelner Menschen, vielmehr standen oft politische oder religiöse Interessen der jeweiligen Machthaber einer Bevölkerungsgruppe (Land, Nation) im Vordergrund. Herrscher, Könige und religiöse Führer erhofften sich von den Astrologen präzise Zukunftsvoraussagen, z.B. über eine bevorstehende Naturkatastrophe, den Beginn oder Ausgang eines Krieges, den günstigen Moment für die Eroberung eines Landes, die Möglichkeit eines Aufstandes oder Attentats, den Zeitpunkt für eine Vermählung oder ähnliche Vorhaben. Viele Könige hielten sich deswegen Hof-Astrologen, die z.B. auch in medizinischen Angelegenheiten um Rat gefragt wurden. Heute bezieht man die ganze Welt in die Prognosen ein, daher wird diese astrologische Vorgehensweise auch Mundanastrologie genannt (Mundus = Welt). Die Berechnungsmethoden für die globalen Voraussagen sind inzwischen hoch komplex geworden.

Die Individualastrologie, in der der einzelne Mensch im Vordergrund steht, ist erst später in der Antike entstanden und bis heute weiterentwickelt worden; und ihre Grundlage ist das individuelle Geburtshoroskop, welches ca. im 4. Jahrhundert v. Chr. entwickelt wurde. 



Prognosen
Wie bereits erwähnt, spielt immer noch in der herkömmlichen Astrologie die Voraussage von Ereignissen oder Schicksalen einzelner Personen oder des Kollektivs (Menschheit) eine gewichtige Rolle. Vorhersagen zukünftiger, konkreter Ereignisse, ob nun für das Kollektiv oder den Einzelmenschen, sehe ich aber als sehr bedenklich an. Solche Vorgehensweise wird auch als dunkle Kunst gesehen, weil man die Zukunft oder ein Schicksal (mit seinen komplexen Variablen) nicht im Detail voraussagen kann und aus ethischer Sicht auch nicht soll. Selbst, wenn eine Prognose eintreffen sollte (was ja durchaus der Fall ist), dient sie nicht dem geistigen Wachstum eines Menschen. Denn sie führen im schlimmsten Fall dazu, dass die Menschen nicht mehr spontan und frei ihre Entscheidungen treffen oder in die Falle der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen geraten. Diese Vorgehensweise schränkt somit den freien Willen, die Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Schöpferkraft des Menschen ein.

Die Erde und die Menschheit sind einer ständigen geistigen (göttlichen) Beeinflussung ausgesetzt, auch göttlicher Plan oder Evolution genannt. Jeder evolutionäre kleinere und größere Abschnitt hat ein bestimmtes Überthema, das die Menschheit vertieft lernen soll. Dies gilt natürlich auch im Kleinen für das Leben eines einzelnen Menschen, was erfahrene Astrologen im Geburtshoroskop herauslesen können. Der evolutionäre Rahmen ist aber nicht starr in allen Einzelheiten vorgegeben, sondern er lässt viel Raum für eigene Entscheidungen und den freien Willen. Erfahrungsgemäß wird dieser Rahmen i.d.R. nicht mal ansatzweise genutzt. Das folgende Zitat von dem Universalgelehrten J. W. Goethe, der sich auch mit Astrologie befasste, bringt dieses Thema auf den Punkt: Die Planeten zwingen nicht, sie machen nur geneigt!

Astrologen
, die sich nur auf Vorhersagen (Wahrsagerei) konzentrieren, haben mit dazu beigetragen, dass die Astrologie in weiten Kreisen der Gesellschaft zurecht für unseriös gehalten wird. Zu dem schlechten Ruf der Astrologie haben auch die zahlreichen oberflächlichen Horoskope der Regenbogenpresse beigetragen, man nennt sie daher auch „Vulgär-Astrologie“.
We
nn man sich aber nur auf Prognosen beschränkt, verfehlt man den eigentlichen Wert der Astrologie; denn die Astrologie kann, wie ich eingangs erwähnte, wenn man sie zur Selbsterkenntnis und dem geistigen Wachstum nutzt, sehr wertvoll sein.


Transite
Bei einem Transit setzt man die aktuellen Planetenstände mit den Planetenständen eines individuellen Geburtshoroskops in Beziehung. So kann z.B. ein bestimmter aktueller Planetenstand in direkter oder indirekter Beziehung zu einem bestimmten Planetenstand in einem individuellen Geburtshoroskop treten und damit eine Spannung (Konflikt) oder positive Aktivierung auslösen. Durch die Hilfe eines erfahrenen Astrologen, der den Transit deutet und für den Laien verständlich übersetzt, kann man diesen Transit dann optimal zur Selbsterkenntnis und Bewusstseinserweiterung nutzen. Z.B. kann ein aktueller Transit des Planeten Uranus, bezogen auf das Geburtshoroskop eines individuellen Menschen, Hinweise geben, in welchen Bereichen man sich mehr Unabhängigkeit erarbeiten könnte.
Diese Vorgehensweise kann man aber auch auf die ganze Menschheit übertragen. Hierbei betrachtet man besonders die aktuellen Stände der überpersönlichen Planeten, wie z.B. Pluto, Uranus und Neptun, weil diese über einen längeren Zeitraum (nennt man auch Zeitgeist) eine bestimmte Zeitqualität und das damit verbundene kollektive Lernthema aufzeigen, deren Auswirkungen die gesamte Menschheit betreffen. Natürlich nimmt jeder Mensch diese kollektiven astrologischen Einflüsse entsprechend seines Entwicklungsstands unterschiedlich wahr.

Man kann aber auch die zukünftigen Planetenstände in Beziehung zu einem einzelnen Menschen oder der ganzen Menschheit betrachten. Hierbei geht es aber nicht um Vorhersagen konkreter Ereignisse (auch wenn dies einige Astrologen machen), sondern um das Erkennen einer bestimmten Zeitqualität und des damit verbundenen Lernthemas. Ein erfahrener Astrologe kann ein bestimmtes Lernthema erkennen und dies für den Laien verständlich übersetzen. Wie sich dieser Transit aber konkret auswirkt und wie der Betroffene oder die gesamte Menschheit die Zeitqualität konkret nutzen (oder sie überhaupt in der Lage sind, sie zu nutzen), kann man nicht voraussagen. Die Selbstbestimmung und Verantwortung werden in diesem Fall – im Gegensatz zur Ereignisprognose – somit nicht eingeschränkt.
Im Übrigen dient auch die rückwärtige Betrachtung von Transiten dazu, vergangene Konflikte und Lebensthemen besser zu verstehen und zu verarbeiten.



Psychologische Astrologie
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Astrologie durch die Erkenntnisse der Psychologie (Tiefenpsychologie, wie z.B. Sigmund Freud, A. Adler, Wilhelm Reich und C. G. Jung
) erweitert und vertieft worden, und die psychologische Astrologie erreichte ab den 60er Jahren ihre größere Verbreitung. Bekannte Vertreter der psychologischen Astrologie sind Hermann Meyer, Liz Greene und Stephen Arroyo. Die psychologische Astrologie befasst sich mit tieferen und i.d.R. unbewussten Anteilen eines Menschen (dazu gehören auch die Schattenanteile) und geht daher über die klassische astrologische Persönlichkeitsanalyse hinaus. Sie dient damit einer differenzierteren Selbsterkenntnis und damit der Entwicklung einer reifen Individualität.

Spirituell orientierte Astrologie
Während sich die klassische Astrologie vorrangig mit der Außenwelt und den weltlichen Belangen der Persönlichkeit (Charaktermerkmale, Stärken und Schwächen etc.) befasst, steht bei der spirituell orientierten Astrologie die Innenwelt und damit die geistig-seelische Entwicklung des Menschen im Vordergrund. Die spirituell orientierte Astrologie kommt aber erst dann maßgeblich zum Einsatz, wenn ein Mensch seine Persönlichkeitsentwicklung weitgehend abgeschlossen hat und sein Bewusstsein sich zunehmend auf den geistig-seelischen Bereich ausweitet. 

Allerdings befindet sich die spirituell orientierte Astrologie noch in den Anfängen und es wird wohl noch lange Zeit dauern, bis sie ausgereift angewendet werden kann. In dem Buch "Eine Abhandlung über weiße Magie", von Alice A. Bailey, S. 470, habe ich dazu folgende Aussage gefunden: „Die Astrologie ist wirklich eine Wissenschaft und zwar eine künftige. Ebenso ist es richtig, dass die Astrologie in ihrem höchsten Aspekt und ihrer wahren Auslegung es dem Menschen ermöglichen wird, sein Verständnis zu konzentrieren und in der rechten Weise zu wirken. Dass man aus den Offenbarungen, welche die Astrologie in der kommenden Zeit bringen wird, das Geheimnis des wahren Zusammenwirkens zwischen Seele und Form finden wird, ist auch richtig. Aber diese Astrologie ist jetzt bisher nicht vorhanden. Es wird zu viel übersehen und es ist zu wenig bekannt, als dass die Astrologie zu der exakten Wissenschaft werden könnte, die sie nach der Behauptung vieler sein soll.“ (Zitatende).

Die spirituell orientierte Astrologie wird, auch wenn sie noch lange unvollständig angewendet und durch Erfahrung noch ausgereift werden muss, in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle spielen, weil immer mehr reifere und spirituell entwickelte (Seelen-)Menschen inkarnieren. Für spirituell orientierte Menschen ist aber ein klassisches, weltlich orientiertes Persönlichkeits-Horoskop zu begrenzt, da es den geistig-seelischen Aspekt wenig oder gar nicht berücksichtigt.


Literatur

- Esoterische Astrologie, von Alice A. Bailey
 
Esoterische Astrologie, das Praxisbuch, von Gunda Scholdt 


Das Copyright © für diesen Text hat:
Ralf Manthey
22880 Wedel
Email: ralf-manthey@online.de


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